"In the absence of intimidation, creativity will flourish"
G.Ginn

Samstag, 20. Dezember 2014

Merkwürdige Weihnachtslieder (1)

Irgendwann ist jemand auf den Gedanken gekommen, dass man doch populäre Sänger Weihnachtslieder aufnehmen lassen und damit einfach Geld verdienen kann. Dieser Erkenntnis verdanken wir LPs wie "Weihnachten mit Nicki" (die Älteren erinnern sich). Dann kam jemand auf die Idee, dass man doch nicht nur die bekannten Weihnachtslieder aufnehmen kann, sondern selber ein paar neue schreiben. Dieser Erkenntnis verdanken wir Lieder wie "Last Christmas".
Ich weiß nicht, ob irgendjemand protestieren würde, wenn man behauptete, dass diese Weihnachtsmusik meistens relativ medioker, wenn nicht gar gräßlich ist. Ich habe noch niemanden getroffen, der als Lieblingsalbum von seinem Star ein Weihnachtsalbum genannt hätte. Aber man braucht eben ein bisschen stimmungsvolles Hintergrundgedudel, und, hey, wenn nicht der Crazy Frog ein Weihnachtsalbum veröffentlicht,* macht's eben ein anderer.

Ab und zu gibt es unter diesen Weihnachtsliedern dann aber immer wieder welche, die zumindest etwas merkwürdiger sind als die anderen. Nicht unbedingt gut, aber zumindest interessant. Ein paar davon will ich in den nächsten Tagen vorstellen. 

Die Reihe beginnt mit Big Star, der Beat-Supergruppe, die leider um einige Jahre zu spät kam und deswegen zu Lebzeiten ziemlich unterging. Hier kann man etwas mehr dazu lesen. 1974 sitzt nun Sänger und Gitarrist Alex Chilton im Studio in Memphis Tennessee, um das dritte Album der Band aufzunehmen, während der Rest der Band nach und nach verloren geht, und alles, was als kommerziell verwertbar erscheint, im Alkohol versinkt. Die Zusammenstellung der Aufnahmen auf der "Third/Sister Lovers" gehört zu meinen liebsten Platten, auch wenn oder gerade weil man sich bei vielen Liedern nie ganz schlüssig sein kann, ob man gerade minimalistisches Genie, künstlerisches Unvermögen oder offene Sabotage hört. Und gerade dieses Album hat auch ein Weihnachtslied, das dazu noch "Jesus Christ" heißt (das wird der Produzent auch nach dem ersten Anhören gerufen haben). 


Schön orchestriert, der Text erzählt die Geschichte von den Hirten, gesungen von Chilton mit brüchiger, an manchen Stellen kindlich orientierungsloser Stimme. Wenn's vorbei ist, hat man das Gefühl, ein eher schmalziges Weihnachtsrocklied gehört zu haben, aber irgendetwas war seltsam und leicht beunruhigend. Diese kognitive Dissonanz passt doch schön zum modernen Weihnachten. 

*Die Kenntnis dieses Kleinods verdanke ich dem verehrten Jens Balzer, der heute in der Berliner Zeitung darüber schrob. 

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